Innovative ARR-Finanzierungen erreichen den deutschen Kreditmarkt

Mai 2022

Nachdem sich in den USA bereits vor einiger Zeit ein Marktsegment für neuartige Finanzierungen von Software- und Tech-Unternehmen etabliert hat, sieht man die Finanzierungsform zunehmend auch in Deutschland. Worum geht es?

Neuartige Entwicklung von SaaS-Geschäftsmodellen

Im europäischen Software- und Tech-Markt treten Private Equity-Sponsoren in den letzten Jahren spürbar häufiger auf. Seit 2019 erfolgten im Tech-Sektor mehr als 80 Übernahmen mit einem Volumen von über €11 Mrd. durch Private Equity-Sponsoren – darunter 27 Unter­nehmen, die vormals Unterstützung durch Venture-Kapital erhielten.[1] Mit dem zunehmenden Interesse von Private Equity-Sponsoren, die bekannterweise auf Kapitalkosteneffizienz ausgerichtet sind, wächst auch der Fremdfinanzierungsbedarf stetig. Insbesondere bei Software-Unternehmen sieht man eine neuartige Entwicklung von Finanzierungstechniken, die im Silicon Valley bereits erprobt und zwischenzeitlich etabliert sind. Auch in Europa und Deutschland zeichnet sich ein neuer Trend zu sogenannten Annual Recurring Revenue (ARR)-Finanzierungen ab.

In der Vergangenheit stieß die Fremdfinanzierung von jungen Tech-Unternehmen mit klassischen Finanzierungsmodellen schnell an ihre Grenzen. Software-Unternehmen sind in frühen Phasen ihrer Entwicklung in der Regel kaum bis gar nicht profitabel, insbesondere mit Blick auf EBITDA und Cashflow. Das geläufige Software-as-a-Service (SaaS) Geschäfts­modell führt zu stark vorverlagerten Entwicklungs- und Marketingkosten. Gerade der Wechsel hin zu cloudbasierten Softwarelösungen führt dazu, dass der Großteil der Kosten anfällt, bis ein Software-Produkt nach Abstimmung mit dem Kunden über verschiedene Geräte genutzt werden kann. Sobald eine Lizenzvereinbarung jedoch ausverhandelt wurde, und eine ausreichende Mindestanzahl an Nutzern freigeschaltet wurden, kann das Software-Unternehmen (sowie seine Kreditgeber) davon ausgehen, dass regelmäßige und vorhersehbare Umsätze generiert werden. Die vergleichsweise schnelle Skalierbarkeit dieser Geschäftsmodelle erlaubt dann bereits frühzeitig eine von herkömmlichen Risikoparametern abweichende Betrachtungsweise.

Viele Kreditnehmer geeignet – unter bestimmten Bedingungen

Gerade Banken haben in der Vergangenheit keine Bereitschaft gezeigt, Unternehmen mit niedrigem oder gar negativem EBITDA substantiell zu finanzieren – selbst bei hoffnungs­vollen Geschäftserwartungen. Aufgrund der Vorgaben der Banken sowie traditioneller Kreditrisikoanalysen erscheint dies vertretbar, allerdings nicht effizient mit Blick auf die Kapitalkosten der Software-Unternehmen oder ihrer Käufer. Im Ergebnis führte dies oft dazu, dass die vergleichsweise hohen Kaufpreise mit Multiplikatoren in Höhe von 10-15x auf die wiederkehrenden Umsätze vollständig mit Eigenkapital finanziert wurden. Um Software- und Tech-Unternehmen sowie ihren Erwerbern dennoch den Zugriff auf Fremdkapital zu ermöglichen, hat sich in den letzten Jahren zunehmend die Finanzierung basierend auf den Annual Recurring Revenues (ARR), also den jährlich wiederkehrenden Umsätzen des Unter­nehmens, etabliert. Der sonst übliche Leverage-Test, der den maximalen Verschuldungsgrad einer Firma über ein vereinbartes Verhältnis von Verschuldungsbetrag und EBITDA steuert, wird hierbei temporär durch einen Covenant ersetzt, der nur auf eben solche wieder­kehrenden Umsätze abstellt.

Entwicklung der Valuation-Multiples für SaaS-Unternehmen (Quelle: SaaS Capital, 2022)

Für diese Art von Finanzierung geeignete Umsätze finden sich dabei insbesondere im Tech-Sektor. Viele dieser Unternehmen vertreiben ihre Dienstleistungen, etwa Software- oder Plattformlizenzen, über ein Abonnementmodell. Die Annual Recurring Revenues sind somit schlicht Umsätze, die aus solchen Abonnements erzielt werden. Hierbei wird regelmäßig eine Mindestdauer von einem Jahr vorausgesetzt, einmalige Umsätze werden entsprechend nicht berücksichtigt. Wiederkehrende Umsätze werden auch als Gradmesser für die Reife des Unternehmens und zur Prognose der zukünftigen Ertragskraft verwendet. Geschäfts­modelle mit Softwarelösungen, die für die Kunden kritisch-notwendige Prozesse oder Erfordernisse erfüllen und deshalb auch nur zu erwartbar geringen Kundenabgängen (churn) neigen, werden dabei bevorzugt. Die beschriebenen SaaS-Geschäftsmodelle weisen auch positive Kreditmerkmale aus, wie z.B. geringe verbleibende Investitionen, da Cloud-basiert und voll-entwickelt, sowie positives Working Capital, da die Kunden die Abonnement-Gebühren meistens vorab bezahlen. Je nach Skalierbarkeit, und den damit verbundenen Wachstumsaussichten, Stabilität und Finanzkraft der Zielkundengruppe sind ARR-Finanzierungen in der Höhe des 1.0- bis 3.0-fachen ARRs erreichbar.

Auch die üblicherweise anfänglich eher geringen Cashflows der Unternehmen werden in diesem Finanzierungsmodell berücksichtigt – so wird die Finanzierung oftmals endfällig strukturiert und unterjährige Zinszahlungen durch PIK-Mechanismen ersetzt. Das vergleichs­weise höhere Risiko lassen sich Kapitalgeber jedoch in der Regel noch entsprechend kompensieren. Ebenso erfordern ARR-Finanzierungen eine vergleichsweise komfortable Eigenkapitalquote von über 60%. In die Struktur einer ARR-Finanzierung wird regelmäßig ein Mechanismus integriert, durch den die Finanzierungsbedingungen nach den ersten 2 bis 3 Jahren mit ungewöhnlich starker Geschäftsentwicklung, und entsprechenden Finanzzahlen, wieder in das konventionelle Modell des EBITDA-basierten Leverage-Covenants wechselt. Ab diesem Zeitpunkt wird dann wieder auf die bis dato erzielte Profitabilität des Unter­nehmens abgestellt. In den ersten Jahren ist außerdem davon auszugehen, dass vom Kreditnehmer eine gewisse Mindestliquidität vorgehalten werden muss.

ARR-Finanzierungen – ein Markt mit Potential

Während die ARR-Finanzierung in den USA bereits relativ etabliert ist (auch mit stark spezialisierten Finanzierungsanbietern), findet sie erst in den letzten Jahren ihren Weg nach Europa. Wenig überraschend waren damit auch die in Europa ansässigen US-Banken die Ersten, die vor Ort ARR-Finanzierungen anboten. Inzwischen weitet sich das Feld der Anbieter jedoch zunehmend. Die Debt Funds haben die Attraktivität dieses Finanzierungs­ansatzes erkannt, sind grundsätzlich offen für flexible, neuartige Finanzierungsstrukturen und zudem in der Lage, unbürokratisch Gelder zur Verfügung zu stellen. Bisher hat sich in Deutschland noch kein rechtlicher Dokumentationsstandard für ARR-Finanzierungen etabliert. Einigen Rechtsanwälten ist das Thema bereits sehr vertraut, so dass auch unter Zuhilfenahme internationaler Referenzdokumentationen bald eine zügige Umsetzung von ARR-basierten Transaktionen im Einvernehmen mit Kreditnehmern und Kapitalgebern zu erwarten ist. Mit der Verbreitung weiterer SaaS-Lösungen in breitere Anwendungsbereiche (XaaS) wächst auch der Bedarf nach derartigen Finanzierungen. ARR-Finanzierungen sind damit in Deutschland angekommen und schon jetzt über eine breites Größenspektrum für klein- und mittelständische Unternehmen verfügbar. Sie stellen eine weitere spannende alternative Finanzierungsform im lokalen Markt für strukturierte Finanzierungen dar.

Cubus Partners bereitet derzeit einige Unternehmen auf die Möglichkeiten und Anforderungen von ARR-Finanzierungen vor. Richard Rösener, Gründungspartner von Cubus Partners, geht davon aus, dass auch im deutschen Markt schon bald eine Vielzahl dieser Finanzierungen abgeschlossen werden.

Kontakt:

Cubus Partners GmbH, Friedrichstr. 52, 60323 Frankfurt am Main

Richard Rösener, Managing Partner, Email: roesener@cubuspartners.com

Degenhard Schroeren, Executive Director, Email: schroeren@cubuspartners.com

[1] Quelle: dealroom.co